25. Dezember 2014No Comments

Vorweihnachtstress auf Peruanisch

Vor zwei Wochen hieß es endlich Rucksack packen und los. Unser Ziel: Iquitos. Die Dschungelmetropole ist mit 400.000 Einwohnern der größte Ort der Welt ohne Landanbindung, mitten im Amazonas-Regenwald. Für die Anreise brauchten wir ganze vier Tage. Erst 18 Stunden im Bus über die Anden, dann drei Tage im Frachtkahn auf dem Wasserweg. Deckpassage in Hängematten. Wässrige Suppe und Reis mit Hühnchen inklusive. Und das Ganze für läppische 70 Soles (kaum 20€). Es hätte schlimmer sein können.

Nach einer Woche in Iquitos wollen wir die Stadt noch vor Weihnachten verlassen. Ein Frachtschiff fährt am Vorweihnachtstag, doch die Aussicht auf Kochbanane und Yuca-Wurzel auf Arroz Blanco an Heilig Abend finden wir nicht so prickelnd.

Nach vielem Hin- und Her ergibt sich eine Möglichkeit, die in keinem Reiseführer zu finden ist. Auf Gut Glück fahren wir mit einem Toyotabus mit ca. 15 Sitzplätzen, in den gerne mal 25 Personen passen, ins Dörfchen Nauta. Dort fließen Marañon und Ucayali zusammen und bilden den Amazonas. Angeblich fährt am nächsten Tag ein Speedboot ab, das zwar etwas teurer ist, für die Strecke stromaufwärts aber nur anderthalb Tage benötigt. In einer schäbigen Baracke am Hafen können wir zu unserer großen Freude tatsächlich Tickets ersteigern und fühlen uns vom Schicksal geküsst. Was ich zum Zeitpunkt des Ticketkaufs noch nicht ahnen kann: Die Reise nach Moyobamba wird uns drei Tage und unendlich viele Nerven kosten. Kommt vor, wenn man für wenig Geld unterwegs sein will. Wir hätten die gleiche Strecke für 93€ fliegen können.

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Die Fahrt im Holzboot mit Außenbordmotor und Plastikplanendach wird zur Tortur bzw. zum Abenteuer, je nachdem wie man es nimmt. Dicht gedrängt nehmen wir auf schmalen Stühlen Platz. Sie wurden aus zusammengeschweißten Eisenstangen geformt und mit elastischen Gummiseilen, wie man sie bei uns als Wäscheleinen verwendet, umwickelt. Im Gang werden für die letzten Passagiere ein paar Holzhocker aufgestellt.

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Nach einigen Stunden habe ich mich an den Fahrtwind im Gesicht und die Knie im Rücken gewöhnt. Ich ziehe meine Kapuze tiefer ins Gesicht und kauere mich hinter die blaue Plastikplane, die uns vor Spritzwasser schützen soll. Mit Musik von den Isbels auf den Ohren schließe ich die Augen und träume mich an Orte mit Beinfreiheit und leckerem Essen.

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Jap, der Magen knurrt. Zeit fürs Frühstück. Wir steuern ein kleines Dorf am Ufer an, an dem uns ein Dutzend Frauen und Kindern mit Tabletts voller Essen erwarten. Gegrillter Fisch, Reis mit Hühnchen und Bohnen, Bananenchips, Popcorn, etwas das wie Weintrauben aussieht. Was klingt wie im Paradies, wird zur Nervenzerreißprobe. Kaum erreichen wir die schlammige Uferböschung, stürzen sie sich auf uns wie eine Horde wildgewordener Amazonen.

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Das Boot gerät in gefährliche Schräglage. Einige Passagiere lehnen sich auf unsere Seite rüber, winken mit Münzen, rufen durcheinander ihre Wünsche hinüber. Chaos. Ich werfe mich auf die andere Seite und bilde mir ein, damit das Boot vorm Kentern zu bewahren. Bis zum Hals stehen die Frauen im Wasser. Man könnte meinen, sie möchten uns vor dem Verhungern bewahren. Dabei ist es genau andersherum.

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Als jeder versorgt ist, legen wir wieder ab und setzen unsere Fluss-Odyssee fort. Das grüne Ufer zieht vorbei. Wunderschöne exotische Bäume, wilde Pflanzen und riesengroße Palmen. Hin und wieder eine schilfbedeckte Hütte und Bananenplantagen. Es wimmelt von Kindern. Wir überholen kleine Holzboote, auf denen neugierig dreinblickende Menschen mit indigenen Gesichtszügen ihre Ware ins nächste Dorf schippern. Im Wasser jede Menge Treibholz und Plastikflaschen, Plastikgabeln, Steroporbehälter und anderer Abfall. Peru hat ein riesengroßes Müllproblem. Oder besser gesagt ein Bildungsproblem. Es gibt kein Bewusstsein für Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Aber es ist eine Sache, Plastik im Fluss schwimmen zu sehen, eine andere, zuzusehen wie Mitreisende links und rechts ihren Müll über Bord werfen. Katharina versucht verzweifelt unseren Sitznachbarn klar zu machen dass das nicht gut für die Natur ist und hätte sie am liebsten dazu verdonnert an Ort und Stelle die Doku “Plastic Planet” anzuschauen. Da das Onboard-Entertainment-System in Speedbooten aber wahrscheinlich frühstens in 30 Jahren eingeführt wird, bleibt es bei verwirrten Blicken ihrerseits und Resignation unsererseits. Kommt vor, wenn verschiedene Kulturen aufeinander treffen.

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In der Abenddämmerung legen wir im Dörfchen Alianza an, etwa auf halber Strecke zwischen Nauta und Yurimaguas. Hier bekommen wir eine nett gemeinte, aber abscheulich schmeckende Abendmahlzeit und ein einfaches Lager mit Matratze und Moskitonetz im Freien. Um drei Uhr nachts werden wir geweckt. Es geht weiter. Mir tut alles weh. Es ist die schlimmste Nacht seit letzter Woche im Regenwald, aber das ist eine andere Geschichte.

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Es ist stockdunkel, als wir ablegen. Ein Schiffsjunge steht am Bug und leuchtet die Ufer ab, während der Typ hinten am Motor vorsichtig versucht sich seinen Weg zu bahnen. Ich komme mir vor wie ein Flüchtling. Oder vielleicht schmuggeln wir einen Zentner Koks den Amazonas entlang. Letzteres kann ich bis zuletzt nicht endgültig ausschließen. Warum kein Reiseführer diese Tour beschreibt, ist mir nun vollkommen klar. Dieses Mal sichern wir uns vordere Plätze, wo auf den ersten Blick etwas mehr Platz und das Dröhnen des Motors nicht so laut ist. Dafür hängt über uns ein Lautsprecher, aus dem die nächsten zehn Stunden lang Cumbia-Rhythmen in ohrenbetäubender Lautstärke schallen.

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Das Frühstückschaos vom Vortag wiederholt sich (ich bekomme aber nichts runter), es steigen in Lagunas noch weitere Personen zu, die sich zwischen Stühle und Hocker auf den Boden quetschen. Mir ist kalt, ich bin müde und habe irgendwie doch Hunger. Schließlich ergebe ich mich einfach meinem Schicksal und warte auf unsere Ankunft.

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Irgendwie und irgendwann kommen wir an. In Yurimaguas. In Tarapoto. Und schließlich in Moyobamba. An Heilig Abend. Vier Tage, nachdem wir in Iquitos aufgebrochen sind. Dass wir nachts auf dem Weg nach Tarapoto wegen eines Erdrutsches das Auto wechseln und zwei Stunden warten müssen, bis die Straße frei ist, sei hier nur als Randnotiz erwähnt.

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So wird Weihnachten dieses Jahr nicht nur wegen des einmaligen Ortes, sondern auch wegen der widrigen Umstände im Vorfeld zu einem ganz besonderen Fest. Ein bequemes Bett, ein flauschiges Handtuch, funktionierendes Internet und ein Stückchen leckere Pizza mit Menschen, die einem viel bedeuten. Das ist gerade alles, was wir brauchen, um glücklich zu sein. Man wird bescheiden auf Reisen.

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9. Dezember 2014No Comments

Sebastián

Marcos Arenas Oliden and Sebastián Fiestas Ramirez are sitting on a bench at the beach promenade of Pimentel. They just met. We start chatting. It's a bright, sunny day. The beach is empty. In the distance, fishing boats are gently rocking on the waves coming in from the Pacific. There are about 800 fisherman in Pimentel. Sebastián used to be one of them. He is 74 years old and retired, but has been volunteering at the local Marina. He checks the papers of Fisherman and helps if there are problems with authorities, for example when crossing the border to Ecuador. He likes his current life, but often misses the feeling of being out at sea.

Once, a long time ago, I caught a fish which weighed 250 kilograms. Nowadays you don't catch fish that weigh more than 100 kilograms. I used to work on a big fishing ship far away from the coast. It would take us 20 hours on a smaller boat to reach it. There we stayed until we had caught five tons of fish, usually a week or so. Or until we ran out of petrol. There used to be more than enough fish in the sea: Bonitos, Sucos, Cachemas, Anchovetas, Caballa, Mero, Tollos... It was good work. Out there, when we were not working, we played cards, listened to the radio, talked, slept a lot. We didn't drink much alcohol. And didn't argue much either. Only sometimes, work-related.

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We have a long tradition of fisherman in our family. One time I was on a boat with my brother and some other fisherman, close to the shore, just south of Santa Rosa. It was four o'clock in the morning. It was pitch dark and a storm came up. A wave swept everyone off the boat, except for one person. A kid, 18 years old, had bound a rope around his hip. We had to cut all the ropes of the nets and eventually managed to get everyone back on board. No one died, but it was one of the worst experiences of my life. Every year a few fisherman die out there.

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2. Dezember 2014No Comments

Estamos viajando contigo – Angekommen in Peru

Als ich am Flughafen in Lima aus der Maschine steige ist es unerwartet kühl. Hier beginnt gerade der Frühling und die Temperaturen steigen langsam. Es ist dennoch hauptsächlich bewölkt, über dem Land liegt etwas wie ein leichter Nebel, Wolken vielleicht, es kann aber auch an dem Smog in der Megastadt liegen. Lima hat fast 10 Millionen Einwohner. Riesige Straßenzüge durchziehen die Hauptstadt wie Nervenbahnen, vierspurig, fünfspurig, sechsspurig, man weiß es nicht so genau, weil die Autos, Kombis und Kleinlaster sich nicht an die verblassten Straßenmarkierungen halten. Man sagt, wenn man in Lima Auto fahren kann, kann man überall fahren (außer in Indien vielleicht) vielleicht).

Die Taxifahrt vom Flughafen zum Hotel führt durch heruntergekommene Industriegebiete, schicke Wohngegenden und entlang des langen Küstenstreifens nach Miraflores, den touristischen Stadtteil Limas. Die, die es sich leisten können, wohnen und arbeiten hier. Durchgestylte Restaurants mit deutschen Preisen und einer umfangreichen Speisekarte reihen sich an Banken, Hochhauskomplexe, Einkaufszentren, Cafés. Dazwischen kleine Parks, hier und da Palmen und englischer Rasen. Oben entlang der Steilküste verläuft die Promenade von Miraflores. Touristen (ein paar Weiße,, aber hauptsächlich Latinos) schlendern an ihr entlang, schießen Fotos und warten auf den Sonnenuntergang. Über uns kreisen Paraglider, uns zu Füßen breitet sich der Pazifik aus wie ein seidener Teppich. Tiefes Blau durchzogen von weißen Streifen, in denen dutzende Surfer auf die perfekte Welle warten. Nur wenige Minuten dauert es, bis die Scheibe vom Horizont verschluckt ist und sich ein grauer Schleier über die Stadt legt. Um 19 Uhr ist es dunkel und es wird noch mal merklich kühler.

Ich bin müde. Die anderen auch. Nach insgesamt 32 Reisestunden sitze mit drei anderen Backpackern im „Sophie" in der Nähe unseres Hostels. Anstatt zu dem günstigen China-Imbiss um die Ecke zu gehen, entscheiden wir uns für das teure Restaurant mit peruanischer Küche um die andere Ecke. Nun steht vor mir ein Teller "Ají de Gallina“ (Hühnchen in Chili-Marinade auf Reis) und ein süßliches Bier aus Huaraz im Anden-Hochland. Lecker!

Bernd und Lukas aus Deutschland und Lea aus Österreich lerne ich am Flughafen von Panama City kennen. In Frankfurt sind wirgestiegen, zusammen mit einem Haufen Pauschal-Touristen, die sich offensichtlich dafür entschieden hatten ihren Jahresurlaub in der Dominikanischen Republik zu verbringen. In deren Hauptstadt nämlich, Santo Domingo, legten wir einen Zwischenstop ein. In deren Hauptstadt nämlich, Santo Domingo, legten wir einen Zwischenstop ein. Während diese in Santo Domingo aussteiegen und sich vom Taxis in ihre All-Inklusive Hotels bringen ließen, bleieben wir Weiterreisenden sitzen und warteteten darauf, dass die Maschine vollgetankt wird und wir weiterfliegen können. Für die nächsten drei Stunden hatte ich die mittlere Sitzbank mit drei Plätzen für mich alleine, lege mich quer über die Plätze und versinke in einen unruhigen Schlaf. Die verbliebenen Reisenden sind überwiegend Langzeitreisende: Lukas, der mit seiner Freundin durch Peru und Bolivien reisen will, Delie, die von hier weiter nach Santiago in Chile fliegt, eine Schwedin, für die es noch weiter nach Bolivien geht. Und andere – hauptsächlich junge Menschen – – mit randrandvollen Backpacks. Keiner von denen, mit denen ich hier ins Gespräch komme, hat ein Rückreise-Ticket in der Tasche. Ich habe das Gefühl, dass ich noch viele von ihnen auf meiner Reise treffen werde.

Der Abend mit Bernd, Lukas und Lea klingt bei einem Bierchen auf der Dachtrasse des Explorer's House aus, einem einfachen aber netten Hostel in Miraflores. Die Nacht verbringe ich in einem kleinen Doppelzimmer mit dünnen Wänden und kitschig-bunten Vorhängen. Am Morgen wache ich schon um fünf Uhr auf. Es ist noch dunkel, aber auf den Straßen wird schon wird wild gehupt. Ich bleibe liegen, schnappe mir meinen Notizblock und schreibe ein paar Eindrücke auf, bevor ich doch noch mal für zwei Stündchen vor mich hin döse. Nach einem spärlichen Frühstück holt mich José im Explorer’s House ab. Er arbeitet für Airbus in Bremen und ist gerade auf Familienbesuch in Lima. Der Kontakt kam durch eine Freundin meiner Mutter zustande. Die Möglichkeit einen Tag mit ihm zu verbringen, ein absoluter Glücksfall! Wir spazieren durch Miraflores, entlang der Avenida Principal zum Plaza Kennedy und setzen uns dort in ein Café. Dabei unterhalten wir uns fast ausschließlich auf Spanisch, wechseln nur dann ins Deutsche, wenn ich mit meinem Vokabular mal gar nicht weiter weiß. Er lädt mich am Nachmittag zum Essen mit einem peruanischen Freund ein, den er vor einigen Jahren inein, den er vor einigen Jahren in Bremen kennen gelernt hat, den es aber mittlerweile wieder nach Lima hezogen haen gelernt hat, den es aber mittlerweile wieder nach Lima hezogen hat. Es folgt eine Taxi-Fahrt, die zu erleben mir genauso viel Angst wie Freude bereitet hat, weil sie einfach so verrückt ist. Eine halbe Stunde lang hupen und drängeln wir uns unseren Weg durch den dichten Verkehr Limas, hinter uns das unaufhörliche Rattern des Auspuffs, das jeglichen Versuch eines Gesprächs im Keim erstickt.

Das Restaurant Señor Limón ist schon wieder eines mit deutschem Preisniveau, allerdings weit ab vom Tourismus-Treiben der Pazifik-Promenade der Pazifik-Promenade. Die Preise, die Warteschlange und das moderne Ambiente lassen vermuten, dass es sich bei Señor Limon um ein echtes Gourmet-Restaurant handelt. Auf der Speisekarte stehen Fischgerichte und Meeresfrüchte vom Feinsten. Wir bestellen mehrere Teller, darunter Variationen von Ceviche, rohem Fisch mit Limetten-Marinade. Die peruanische Spezialität wird mit einer scharfen Sauce, Zwiebeln, Süßkartoffeln und gerösteten Mais serviert, dessen Körner drei mal so groß sind wie die, die wir bei uns kennen. Es schmeckt ungewöhnlich, aber sehr gut. Mit den Tellern leeren sich auch meine Adrenalin-Speicher, die seit meiner Ankunft in Peru auf Hochtouren laufen und meine Aufnahmefähigkeit löst sich langsam aber sicher in Teilnahmslosigkeit auf. Die Zeitverschiebung und die Aufregungen des Tages fordern ihren Tribut. Die Rechnung von 175 Soles (etwa 50€) begleicht Victor mit seiner Kreditkarte. Er besteht darauf uns einzuladen und es es macht nicht den Eindruck, als falle ihm das schwer.

Nicht allen Peruaner geht es so gut wie Victor. Die allgemeine Wirtschaftssituation ist heute zwar besser als noch vor zwanzig Jahren, doch wie so oft wird er vermeintlich neu gewonnene Reichtum ungleich verteilt. In Lima wird ein verglastes Hochhaus nach dem anderen gebaut, während sich in den Dörfern auf dem Land immer noch einfache Behausungen und Wellblechhütten aneinander reihen. Die Arbeitslosigkeit bei den jungen Peruanern hier ist hoch. Mit Smartphones und Internet kam die Illusion des Fortschritts, das gesellschaftlich aber keineswegs nur positive Entwicklungen nach sich zog. Korruption und Bestechung sind immer noch weit verbreitet, der Drogenhandel boomt. Seit 2002 gilt Peru als der größte Kokain-Produzent der Welt. Gerade erst wurde in Trujillo eine Lieferung von 7,7 Tonnen des Rauschgifts abgefangen. Ein anderes Problem sind ungeplante Schwangerschaften bei den 13 bis 16-jährigen Jugendlichen, von denen viel zu viele durch unsichere Abtreibungsversuche sterben. Analphabetismus scheint immer noch ein Thema zu sein. Die Regierung versucht verzweifelt der Situation Herr zu werden. An Wänden und Häusern entlang der Panamericana prangen großflächig die Namen der Kandidaten, die Anfang Oktober ins Amt der Regionalvertretungen gewählt wurden: Acuña, Murgia, Sanchez… In blauen und roten Blocklettern stehen sie auf weißem Grund gemalt wie schlechte Graffiti. Es ist die einzige Form von Streetart, die ich in meinen ersten Tagen in meinen ersten Tagen in Peru sehe. Die riesigen Billboards, die sich hoch über Häuser, Fabrikhallen und Kirchen erheben, bleiben den Konzernen vorbehalten. „Estamos viajando contigo“ wirbt der omnipräsente Internet- und Handyanbieter Claro auf einem Banner, an dem wir vorbeifahren, als wir die staubigen Straßen des Dorfes Pacasmayo verlassen. Er wirkt hier seltsam Fehl am Platz.

Die Panamericana ist die ultimative Traumstraße für jeden ambitionierten Road-Tripper. Ein Straßensystem, das sich einmal quer durch den amerikanischen Doppelkontinent von Alaska bis Feuerland zieht. Mich führt die Straße Richtung Norden nach Chiclayo, der viertgrößten Stadt des Landes, etwa 800 km nördlich von Lima. Im Luxus-Doppeldecker mit warmen Abendessen und Frühstück fühle ich mich wie in einer Blase. Die Eindrücke der Welt um mich herum ziehen vorbei wie Bilder aus einem Dokumentarfilm, irgendwie unwirklich und noch gar nicht greifbar.